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Frieden

Für die Entwicklung von Kapitalmärkten ist ein gutes Maß Skepsis besser als zu viel Zuversicht. Skepsis macht vorsichtig, Zuversicht macht leichtsinnig.

Eine in der Vergangenheit sehr lange Phase besonderer Investorenskepsis über ein und dasselbe Thema existierte in der Zeit zwischen Juni 2011 und September 2012. Die Sorgen bestanden hinsichtlich der Eurokrise. In diesem Zeitraum fielen Aktienkurse in Europa um gerade mal 0,9%. In der Zeit von Juni 2011 bis Ende August 2011 fielen die Kurse um 17%, um anschließend bis Ende September 2012 um fast 20% zu steigen. Bis Ende 2013 folgten weitere 19%.

In früheren Blogs hatten wir bereits geschrieben, dass steigende Kurse ein Sorgenkorsett benötigen. Da die meisten Menschen Sorgen haben und sich gegenseitig davon jeden Tag berichten (man lese aktuell die Zeitungen aufmerksam und suche nach positiven Artikeln, die zur Zeit wohl nur im Feuilleton und Sportteil zu finden sind), stellen sich Investoren auf diese Sorgen ein, wie man an den oben beschriebenen Positionierungen ablesen kann. Das Problem daran ist nur, dass es irgendwann wieder besser wird oder zwischenzeitlich besser werden kann oder doch nicht so schlimm, wie befürchtet.

Das Jahr 2018 war bestimmt von steigenden Zinsen und die Sorge bestand in Bezug auf ein Versagen der Zentralbanken (Quantitative tightening), dass diese durch zu schnelle Zinserhöhungen und Verkäufen von zuvor gekauften Anleihen das Wachstum der Weltwirtschaft abwürgen könnten. Aktienkurse fielen gleich mit, nur wollte das niemand wahrhaben und man kaufte bis in den November hinein bis das Pendel umschlug und in Panik im Dezember endete (siehe dazu den Blog „Panik“ vom 27.11.2018). Per Ende November betrugen die Nettoaktienkäufe in 2018 USD 120 Milliarden. Per Ende Dezember waren es noch USD 65 Mrd. Im Dezember 2018 wurden also USD 55 Mrd. Aktien verkauft. Alle wollten durch dasselbe Schlüsselloch.

Dass Zinsen nicht mehr weiter steigen konnten, war schon im September 2018 klar. Der Handelskrieg (Hauptsorge seit März 2018) hatte längst begonnen und es war abzusehen, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft abschwächen musste. Nur die USA waren auf der Zeitachse später, was volkswirtschaftlich einfach zu erklären ist, da in den USA der Produktions- und Exportanteil an der Wirtschaftsleistung deutlich geringer ist als in Asien oder Deutschland. Konsum und Dienstleistung zeigen verzögerte Effekte. Aus dem Grund musste die US Zentralbank die Zinsen weiter erhöhen, um sicher zu stellen, dass es zu keiner Überhitzung kommt. Zwischenzeitlich ist die Entwicklung auch in den USA angekommen und viele haben Sorge vor einer Rezession in den USA. In Antizipation erneuter durch die Zentralbank veranlassten Leitzinssenkungen fielen die Zinsen am Markt deutlich. In den letzten Wochen wurde die Angst vor einer Rezession in den Zeitungen der Welt verbreitet wie die Windpocken im Kindergarten und führte zu einer Beschleunigung des Zinsverfalls.

Dass ein Handelsstreit für das Weltwirtschaftswachstum nicht förderlich ist, ist für die meisten nichts Neues. Als Nettoimportland mit Konsum als wesentlichem Bestandteil der Gesamtwirtschaft kann der Handelsstreit für die Entwicklung der Inflation in den USA nichts Gutes bedeuten. Der Konsumhunger der US-Amerikaner ist traditionell hoch. Entweder steigen die Preise der Güter wegen der Zölle oder wegen der Verlagerung der Produktion in die USA, zumindest können wir uns nicht vorstellen, dass ein Hill Billy, der früher in der Kohleindustrie gearbeitet hat, für das Gehalt eines Chinesischen Fabrikangestellten Konsumgüter für seine Mitbürger herstellen wird. Entweder wird in den USA zukünftig weniger konsumiert oder die konsumierten Waren teurer werden. Wahrscheinlich ist letzteres, was bedeutet, dass Zinsen nicht weiter fallen können.

Wir sind der Meinung, dass wir die Zeiten von lang andauernden Zinssenkungen hinter uns und nicht vor uns haben. Es heißt nicht, dass Zinsen drastisch steigen werden. Es heißt aber, dass schon ein Anstieg der langfristigen Zinsen um 1% eine erhebliche Auswirkung auf Anleihepreise hat. Steigt der Zins für 10-jährige USA Staatsanleihen, fällt deren Kurs um 8%. Durch das geringere Zinsniveau in Europa ist die Situation noch schlechter. Steigen die Zinsen 10-jähriger deutscher Staatsanleihen um 1%, fällt deren Kurs um 10%.

Früher galten Staatsanleihen als ein risikoloser Zins. Zumindest für Europa gilt, dass aus einem risikolosen Zins ein zinsloses Risiko geworden ist. Dennoch wird dieses Risiko gekauft. Am 15. August emittierte die Bundesrepublik Deutschland eine Staatsanleihe mit einem Zinscoupon von 0% (!!) und einer Laufzeit von 31 Jahren. Solche Anleihen werden im Bieterprozess platziert. Der Verkaufspreis war 103,61%. Das bedeutet, dass der Investor für diese Anleihe 103,61% gezahlt hat, 31 Jahre keine Zinsen bekommen wird und am Ende der Laufzeit 100,00% zurückerhalten wird. Wenn innerhalb der kommenden 2 Jahre der Zins um 1% steigt, verliert diese Anleihe mehr als 25% an Wert. Wie es scheint, erwarten diese Investoren eine langanhaltende Deflation, die den Wert des Geldes steigert, ansonsten ist ein solches risikoreiches Verhalten nicht nachvollziehbar.

Auf der Suche nach Frieden im Investitionsnotstand suchen Investoren seit Jahren nach Alternativen und investieren mit großer Freude auch in Immobilien und zahlen dafür inzwischen hohe Preise. Ein Faktor von 35 auf die Miete wird schon als günstig eingestuft. Faktoren von 40 oder 45 gelten als normal investierbar. Ein Faktor von 40 entspricht einer Rendite vor Kosten der Verwaltung und vor Instandhaltungskosten von 2,5%. Ja, das ist deutlich besser als Staatsanleihen, aber immer noch teuer im Vergleich zu anderen Vermögenswerten.

Größere Vermögen investieren auf der Suche nach Rendite auch in Private Equity, Private Equity Fonds, Venture Capital oder Venture Capital Fonds (hier wird in Unternehmensanteile nicht börsennotierter Unternehmen investiert). Insbesondere werden PE Fonds mit Geld regelrecht zugeschüttet und dieses Geld muss zum Arbeiten gebracht werden. Also verlagert man den eigenen Investitionsnotstand auf einen anderen und zahlt dafür anscheinend gerne hohe Gebühren. Die Private Equity Industrie behauptet immer wieder ihre Investitionen seien zum Aktienmarkt unkorreliert. Das betrachten wir als eine große Unwahrheit. Damit Private Equity für seine Kunden nach allen Kosten Geld verdienen kann, muss das Investment irgendwann wiederverkauft werden und für die Ermittlung des Verkaufspreises werden die aktuellen Bewertungen am Kapitalmarkt natürlich auch herangezogen, wie es in allen „Pitchbooks“ zu sehen ist. Also ist hier nichts unkorreliert.

Das Zauberwort der friedvollen „alternativen“ Anlage heißt „reale Vermögenswerte“. Dieser Kategorie werden in der Regel Immobilien, Gold, Private Equity, Kunst, Schmuck, Diamanten, Wald, Wasser, etc. zugeordnet. Machen Sie im Freundes- und Bekanntenkreis den Test und fragen Sie, was man unter realen Vermögenswerten versteht. Ein wesentlicher realer Vermögenswert wird sehr häufig nicht erwähnt und das ist die Aktie, also die Beteiligung an börsennotierten Unternehmen. Warum eine Beteiligung an nicht börsennotierten Unternehmen zu den realen Vermögensklassen gezählt wird und eine Beteiligung an börsennotierten Unternehmen nicht, ist objektiv nicht nachvollziehbar.

Versuchen Sie sich nun die Frage selber zu beantworten, was preiswerter ist:

  • Eine Immobilie mit einem Kaufpreis von 40x der Nettokaltmiete (vor Kosten der Instandhaltung und Verwaltung).
  • Eine Aktie, deren Unternehmen mit dem 25fachen Gewinn bewertet wird, eine Dividendenrendite von 2,5% hat und die Dividende 23 Jahre in Folge erhöht hat.

Das Wort Mietpreisdeckel existiert schon. Das Wort Dividendendeckel wird es wahrscheinlich nie geben. Während für Mieterhöhungen lästige Schreiben notwendig sind, können Dividenden einfach erhöht werden.

Wir haben noch eine zweite Frage, die Sie sich auch selber beantworten können:

  • Investieren Sie lieber in einen Private Equity Fonds, der für Aufkäufe Übernahmeprämien zu zahlen hat?
  • Investieren Sie lieber in die Unternehmen, deren Anteilseigner eine Übernahmeprämie erhalten?

Für uns stehen die Antworten fest. Wir sind der Meinung, dass in einigen der „alternativen“ Anlagen mehr Frieden vermutet wird, als tatsächlich zu finden ist.

Im folgenden Blog „FLUCHT“ erläutern wir, zu welcher Art Flucht es kommen kann und was diese für Investoren bedeuten kann.

„Wenn man eine bessere Performance als die Masse will, muss man etwas anders machen als die Masse“ – Sir John Templeton (https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=sir+john+templeton)

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

 

Herzlichst,

Ihr Team von Breidenbach von Schlieffen & Co.



HINWEIS:
Dieser Blogbeitrag und dessen Inhalt stellen keinerlei Handlungsempfehlung dar, sondern dient lediglich der Information. Teaserimage by Christian Mohr from Noun Project.


Über den Autor

Magnus v. Schlieffen hat mehr als 35 Jahre Erfahrung im Kapitalmarkt. Er war für verschiedene internationale Banken in leitenden Positionen in München, New York und Frankfurt tätig. Als ausgebildeter Volkswirt sind seine Schwerpunkte die Analyse von Kapitalmärkten und deren Anlageklassen, Regulierung, Nachhaltigkeit und die Analyse von Vermögensverwaltern, Fonds- und Investmentmanager. Er ist der Chief-Investment-Officer (CIO) von Breidenbach von Schlieffen & Co. und prägt so die Meinung des Hauses.

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