Wie den beiden Charts zu entnehmen ist, haben die Kosten der Versicherung aktuell einen historischen Höchststand erreicht. Den Charts ist aber auch zu entnehmen, dass die Phasen der Höchstpreise für Versicherungsprämien wesentlich kürzer sind, als die Phasen der geringen Versicherungskosten. Auch ist festzustellen, dass die neuen Höchststände jedes Mal höher waren, als frühere Höchststände. Das liegt unserer Ansicht nach an 2 Dingen, die für die jüngste Entwicklung eine hohe Verantwortung tragen. Erstens gibt es wesentlich mehr Strategien, die auf Basis der Daten der Volatilität arbeiten und zweitens werden viele dieser Strategien mit Indexfonds/ETFs abgebildet.
Die Investmentstrategien, die Volatilität nutzen, sind einfach zu erklären. Zum Beispiel gibt es sogenannte Zielvolatilitätsstrategien. Nehmen wir an, ein Investor (in dem Fall meistens Versicherungen, Pensionsfonds oder Stiftungen) möchte ein Portfolio haben, das eine Gesamtvolatilität von 8% hat. Damit kann er gut schlafen. Der langfristige Mittelwert der Volatilität für Aktien beträgt ca. 15%. Der langfristige Mittelwert der Volatilität eines globalen Anleiheportfolios (Staatsanleihen wie Unternehmensanleihen) beträgt ca. 4,5%. Wenn also das Ziel 8% ist, kann ein Portfolio zu 33% aus Aktien und zu 67% aus globalen Anleihen bestehen. Wenn die Versicherungskosten für Aktien (Volatilität) plötzlich ansteigen, muss der Aktienanteil zwangsläufig reduziert werden. Nehmen wir an, die Volatilität von Aktien verdoppelt sich und die der Anleihen bleibt unverändert (was übrigens nicht stimmt, denn auch die steigt in Stresszeiten etwas an). Muss die Zielvolatilität für das Portfolio bei 8% verbleiben, kann die Aktiengewichtung rechnerisch nur noch bei maximal 15% liegen, muss also kurzfristig halbiert werden. Steigt die Volatilität auf 60% (und aktuell ist sie höher), muss die Aktienquote nochmal halbiert werden. Bei einer Aktienvolatilität von 60% kann für ein Portfolio mit Zielvolatilität von 8% eine Aktienquote von maximal rund 6% bleiben. Damit werden diese Absicherungsstrategien zum eigenen Totengräber. Dieser Rechnung werden die Verwalter der Absicherungsstrategien mit dem Argument widersprechen, dass es sich um implizite Volatilitäten handeln würde und damit suggerieren, dass zukünftige Volatilitäten herangezogen werden. Das ist Blödsinn, denn auch zukünftige Versicherungsprämien sind nichts anderes als das Ergebnis vergangener Schäden. Warum sollte das für die Versicherungsprämien am Kapitalmarkt anders sein.
Leider gibt es noch einen 2. Teil der Gleichung. Der Aktienanteil wird entweder über Indexfonds/ETFs (Global, Europa, USA, Asien, etc.) abgebildet oder über Index Futures (ein Derivat auf die genannten Indizes). In jedem Index gibt es gute, weniger gute und schlechte Unternehmen. Kauft man einen Indexfonds (z.B. ein ETF auf den DAX), kauft man per Definition die guten, die weniger guten und die schlechten Anteilsscheine von Unternehmen aus diesem Index. Das gleiche passiert beim Verkauf. Der Unterschied zwischen der Kaufphase und der Verkaufsphase ist allerdings, dass die Kaufphase lange dauert (Volatilität ist gering) und die Verkaufsphase (hohe Volatilität) wesentlich kürzer ist. Während also in den langen Kaufphasen der Kauf von Indexfonds nicht unbedingt eine Auswirkung auf alle Aktienkurse im Index haben muss, haben die kurzen Verkaufsphasen einen erheblichen Einfluss auf alle Aktienkurse im Index. Fällt der Preis für Butter, fällt der Preis für Käse, zumindest für schlechten Käse.
Welche Bedeutung die Indexfonds für die Kapitalmärkte erlangt haben, kann man an den drei folgenden Zahlen ablesen (Quelle: Bank of America Merrill Lynch):
- Im Jahr 2005 war der Anteil an Aktien Indexfonds (ETF’s) am Gesamtvermögen aller Fonds weniger als 2%
- Bis zum Jahr 2008 hatte sich dieser Anteil bereits verdoppelt.
- Heute beträgt der Anteil 14,7%, also mehr als 7mal so viel, wie vor 15 Jahren.
Verkaufen also die Besitzer von Indexfonds ihre ETF Anteile, verkaufen sie schlechte wie gute Unternehmen gleichermaßen, so dass erstmal alle Kurse fallen. In Kombination mit den Strategien, die eigentlich für Absicherung sorgen sollten, ist der Mix eine Sturmmaschine. Er erklärt die neuen Höchststände für Versicherungsprämien und den scheinbar nicht aufhaltbaren Absturz der Aktienkurse und den Vertrauensverlust – wobei die Investoren, die die Kombination aus Absicherungsstrategien und ETFs nutzen, unserer Ansicht nach nie Vertrauen in die Bedeutung und Nutzung der Kapitalmärkte hatten.
Auch wenn es einige gibt, die anderer Meinung sind, ist Investment kein Spiel und die Kapitalmärkte dienen nicht der Unterhaltung. Eine offene Volkswirtschaft benötigt einen funktionierenden Kapitalmarkt, an denen sich Unternehmen wie Staaten für Wachstum, Innovation und Infrastruktur finanzieren können. Als Kapitalnehmer bewirbt man sich um das Kapital der Kapitalgeber. Das bedeutet, dass Kapitalgeber bei der Auswahl der Kapitalnehmer vorsichtig agieren sollten. Bei einem Indexfonds erhält nicht das Unternehmen das meiste Geld, welches damit am besten umgeht, sondern das Unternehmen, welches im Index eine besonders hohe Gewichtung hat. Größe ist aber bekanntlich nicht immer gleichbedeutend mit Güte.
Also, wann kommt die anfänglich beschriebene Ruhe?
Dem Chart zum Verlauf der Volatilität kann man ansehen, dass diese in der Regel sprunghaft ansteigt, dann aber doch ein paar Monate braucht, bis sie wieder gefallen ist. Dieser langsame Rückgang bedeutet, dass die Volatilität immer noch hoch ist (30% sind höher als 15%) und damit Kurse weiter schwanken werden. Allerdings bedeutet es auch, dass die Amplituden der Schwankungen langsam aber sicher kleiner werden, bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Markt „eingeschlafen“ ist.
In Extremzeiten gibt es immer ein paar Anhaltspunkte, die einem aufzeigen, ob sich der Sturm bald legen wird:
- Alle sprechen, schreiben und reden über den Sturm und seine Auswirkungen. Das bedeutet, dass dieser Teil durch den Markt verarbeitet ist. Entsprechend haben die Versicherungsprämien (Volatilitäten) einen neuen historischen Höchststand erreicht.
- Unsere Leser wissen, dass wir keine großen Freunde der technischen Analyse sind. Dennoch gibt es ein paar Bestandteile, die wir sehr respektieren und das ist u.a. die 200 Tage Linie (also der Durchschnitt der Aktienkurse der letzten 200 Börsentage bzw. 40 Wochen). Dazu betrachten wir die Aktien des Stoxx Europe 600, also eines gesamt Europäischen Aktienindex, der die größten 600 Unternehmen beinhaltet. Aus der Vergangenheit kann festgestellt werden, dass ein Markt dann überverkauft ist, wenn 90% der Aktien in dem Index unter dem Schnittkurs der letzten 200 Tage handeln UND mindestens 40% der Aktien um mehr als 25% unter dem 200 Tage Durchschnitt handeln UND mindestens 25% der Aktien um mehr als 40% unter dem 200 Tage Durchschnitt handeln. Aktuell (17. März um 14:30) handeln 97% der Aktien unter dem 200 Tage Durchschnitt, handeln 62% um mehr also 25% unter dem 200 Tage Durchschnitt und handeln 28% um mehr als 40% unter dem 200 Tage Durchschnitt. Das letzte Mal hatten wir diese Situation im Februar 2016. Damals war auch der Ölpreis in kurzer Zeit um 45% gefallen.
- Bank of America Merrill Lynch fragt einmal pro Monat eine große Anzahl von Portfoliomanagern, was deren Positionierung, deren Risikoneigung und deren Erwartungen sind. An dieser Analyse nehmen wir als BvS & Co. regelmäßig teil. Die Ergebnisse dieser Analyse wurden heute veröffentlicht und können in ein paar Tagen in der Zeitung gelesen werden. Die Erkenntnisse sind wie folgt:
- Das Stimmungsbild ist fast so schlecht, wie zur Finanzkrise 2008/2009.
- Die Erwartungen für das globale Wirtschaftswachstum zeigen den größten Rückgang seit Oktober 1994 auf.
- Die Erwartungen für die Unternehmensgewinne zeigen den geringsten Stand seit Oktober 2008 auf.
- Größter monatlicher Rückgang in der Aktiengewichtung seitdem die Umfrage das erste Mal getätigt wurde.