TINA und FOMO leben hoch_Pärchen_01 Cover

FOMO und TINA leben hoch!

Ein in fast allen Bereichen des Lebens wildes Quartal ist zu Ende gegangen. So hatte es auch die Kapitalmärkte schwer durcheinander gewirbelt. Wir hoffen, dass unsere Blogbeiträge und Podcasts geholfen haben, durch diese Zeit zu führen, wobei ich damit nicht meine, dass sie zu Ende ist. Sicherheit gibt es bei Weitem noch nicht.

Allerdings ist die Ausgangslage an den Kapitalmärkten heute eine andere. Während Mitte Februar fast alle Investoren sehr positiv waren und auf dem falschen Fuß erwischt wurden, ist aktuell niemand besonders positiv. Entsprechend ist die Wahrscheinlichkeit eines Sell Offs, wie wir ihn im März gesehen haben, recht unwahrscheinlich. Dennoch wird die Volatilität an den Kapitalmärkten wieder zunehmen, was bedeutet, dass wir dies managen müssen, in dem wir die Aktienquote sowie die Quote der Anleihen aktiv verwalten. Das heißt nicht, dass wir alles verkaufen und wieder zurückkaufen. Es bedeutet, dass die Positionsgrößen immer mal angepasst werden müssen und mal mehr und mal weniger Liquidität im Portfolio ist.

Aktien in Brasilien, Deutschland, Südafrika und Korea stiegen im 2. Quartal 2020 mit mehr als 20% am stärksten. Nur US Technologieaktien stiegen noch stärker an. Die beschleunigte coronabedingte Digitalisierung verhalf vielen Technologieaktien zu neuen historischen Höchstständen. Mit deutschen Staatsanleihen hat man als Investor im 2. Quartal Geld verloren. Aktien von Unternehmen mit hohen und nachhaltigen Dividendenrenditen (fast aller Sektoren) haben sich deutlich schlechter entwickelt als Technologieaktien. Nur lässt sich nicht alles digitalisieren, wie der hohe Bedarf an Toilettenpapier eindrucksvoll aufgezeigt hat. Nicht jede Aktienkursbewegung macht Sinn. Hier muss man sich grundsätzlich vor Augen halten, dass am Ende die Fundamentaldaten immer gewinnen und nicht ausgehebelt werden können.

Die starken Kursbewegungen der letzten Monate hatten 3 Gründe:

  • Der extrem starke Fokus globaler Investoren auf die Wachstumsaktien der Technologie-Branche haben die Aktienkurse von US Technologieaktien und in den letzten Wochen auch asiatische Technologieaktien in die Höhe treiben lassen.
  • Zweitens: Die fortschreitende Auflösung der Portfolioabsicherungen (z.B. DAX Index) = FOMO (Fear Of Missing Out). Ein in Deutschland sehr bekannter Portfoliomanager hatte noch im Mai die historisch höchste Absicherungsquote und heute keine mehr.
  • TINA (There Is No Alternative): Gemeint ist damit, dass es zu Aktien keine Alternative gibt.

Dem TINA Argument können wir uns nicht ganz anschließen, da Unternehmensanleihen auch eine Alternative sind, allerdings nicht zu jedem Zeitpunkt. Den sicheren Hafen „Anleihen“ gibt es nicht mehr. Aufgrund der extrem niedrigen Zinsen haben Zinsänderungen nämlich erhebliche Auswirkungen auf die Kurse von Anleihen. Als Daumenregel kann man jedoch festhalten, dass Unternehmensanleihen interessant sind, wenn die Rendite höher ist als der Zinscoupon und umgekehrt. Jedenfalls steht fest, dass Unternehmensanleihen auch eine Alternative sind, im Kurs aber fast ebenso stark schwanken wie Aktien.

Fest steht unseres Erachtens auch, dass Unternehmen aus der Hygienebranche, die wenig Schulden haben, mit ihren Produkten eine starke globale Positionierung aufweisen, solide Gewinne schreiben und eine Dividende von 4% bezogen auf den Aktienkurs bezahlen, mindestens genauso interessant sind wie Unternehmen aus der Unterhaltungsbranche, die hoch verschuldet sind, noch keine Gewinne erzielen und keine Dividende zahlen. Die in den letzten Monaten wenig beachteten Aktien von Unternehmen mit langweiligem Geschäftsmodell, wenig Schulden, stetigen Gewinnen und stetigen Dividenden werden ihre Zeit bekommen, denn Aktien dieser Unternehmen können wirklich TINA zugeordnet werden.

Wie grundsätzlich wichtig es ist, investiert zu bleiben, hat die Entwicklung von März bis heute gezeigt. Die Investoren (und von denen gibt es viele), die Ende März/Anfang April alles oder viel verkauft haben, haben zwar die Bewegung nach unten mitgemacht, aber nicht die Bewegung nach oben. Auch wir haben Ende März nicht erwartet, dass sich die Kapitalmärkte wieder so stark erholen und fast alle Verluste ausgleichen werden. Dennoch schienen manche Kurse Ende März so tief, dass wir ein paar Positionen nachgekauft haben. Die Portfolios unserer Kunden haben nicht nur an der Entwicklung nach unten, sondern auch nach oben teilgenommen, wobei auch wir etwas zu vorsichtig waren und die Aktienquoten leicht (3 bis 5%) unter den Zielquoten hatten.

Per Ende Juni lag die Performance des Jahres 2020 unserer 4 Strategien nach allen Kosten zwischen minus 3,7% (Defensiv) und minus 5,6% (Risiko); (zum Vergleich: Der DAX Index hat in der Zeit 7,08% verloren). Hier zeigt sich bereits, dass Anleiheportfolios bei Weitem nicht mehr so risikoreduziert sind, wie sie mal waren. Mehr zu den Performancedaten finden Sie hier.

Ob wir bis Ende des Jahres alle Verluste ausgeglichen haben werden, ist zweifelhaft. Allerdings werden die Gewinne der Unternehmen in den nächsten 12 Monaten und darüber hinaus wahrscheinlich extrem stark steigen, sobald die Pandemie gemanagt werden kann. Von vielen Unternehmen hören wir, dass diese die aktuelle Situation nutzen und ihre Kosten reduzieren, indem entweder auf manche in der Vergangenheit lieb gewonnenen Dinge verzichtet wird und/oder kleinere, auch in normalen Zeiten weniger profitable Bereiche geschlossen werden. Das sind häufig keine riesigen Maßnahmen, führen aber dennoch dazu, dass eine „V-förmige“ Erholung nicht möglich ist und sich die Erholung in die Länge ziehen wird. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) erwartet ein verschobenes „V“.

Diese Kostenreduzierung wird die Unternehmen allerdings auch für die Zeit ab der Beherrschung der Pandemie deutlich effizienter und profitabler gemacht haben, so dass wir ohne weiteres davon ausgehen können, dass der anschließende Aufschwung mehrjährig sein kann. Das wird an der Entwicklung der Kapitalmärkte nicht vorbei gehen. Bis dahin müssen wir sehr genau beobachten, wie die Stimmungslage der Summe der Investoren ist. Ist diese zu gut, gilt es vorsichtig zu werden. Bleibt diese schlecht und verschlechtert sich wieder, kann man entspannter sein.

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

 

Herzlichst,

Ihr Team von Breidenbach von Schlieffen & Co.



HINWEIS:
Dieser Blogbeitrag und dessen Inhalt stellt keinerlei Handlungsempfehlung dar, sondern dient lediglich der Information.

Teaser image by Dương Hữu on Unsplash


Über den Autor

Magnus v. Schlieffen hat mehr als 35 Jahre Erfahrung im Kapitalmarkt. Er war für verschiedene internationale Banken in leitenden Positionen in München, New York und Frankfurt tätig. Als ausgebildeter Volkswirt sind seine Schwerpunkte die Analyse von Kapitalmärkten und deren Anlageklassen, Regulierung, Nachhaltigkeit und die Analyse von Vermögensverwaltern, Fonds- und Investmentmanager. Er ist der Chief-Investment-Officer (CIO) von Breidenbach von Schlieffen & Co. und prägt so die Meinung des Hauses.

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